Mittelpunkt - Ausgabe März 2023

Liebe*r Leser*in,

im Februar wurden die Ergebnisse des Länderberichts Hamburg des Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) 2021 des Instituts für Therapieforschung (IFT) München veröffentlicht. Für Hamburg werden diese repräsentative Informationen zu den Konsumprävalenzen von Erwachsenen alle sechs Jahre erhoben.

Wenn wir unseren Blick auf das Konsumverhalten von Frauen richten, zeigen die Ergebnisse leider unerfreuliche Entwicklungen auf: Der problematische Umgang mit Medikamenten unter Frauen in Hamburg ist signifikant gestiegen, rund 23 Prozent der Frauen, die Alkohol trinken, tun dies in gesundheitlich riskanter Weise und knapp elf Prozent gaben an, im Laufe der vergangenen zwölf Monate mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben. Dieser Trend kann zum Teil sicherlich auch auf die gestiegenen psychischen Belastungen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückgeführt werden. Für uns sollten die Entwicklungen Anlass genug sein, die bestehenden Präventionsangebote für Erwachsene zu überprüfen und zielgruppenspezifischer ausrichten, um Erwachsenen zukünftig an ihre Lebenswelt angepasste Bewältigungsstrategien anbieten zu können.

Neben dem bereits angesprochenen Länderbericht des ESA 2021 finden Sie in dieser Frühjahrsausgabe von Mittelpunkt viele weitere Informationen zu aktuellen Entwicklungen in der Suchthilfe und Suchtprävention in Hamburg und darüber hinaus.

Freundliche Grüße!

Christiane Lieb

Geschäftsführerin SUCHT.HAMBURG

Suchtmittelgebrauch und Geschlechtsidentität

In der 2021/22 in Hamburg und Bremen durchgeführten Schüler*innen- und Lehrkräftebefragung zum Umgang mit Suchtmitteln (SCHULBUS) gaben 130 der insgesamt mehr als 5.300 befragten Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren als Geschlecht ‚divers‘ an. Das entspricht einem Anteil von 2,4 Prozent der bereinigten Gesamtstichprobe. Diese Jugendlichen blieben bei der Analyse der Daten und Berichtslegung der Studienergebnisse (vgl. Baumgärtner & Hiller 2022) unberücksichtigt, da die zugrundeliegende Stichprobe gemäß den amtlichen Schul- und Bevölkerungsstatistiken gewichtet wurde, in denen es jedoch keine Erkenntnisse zum Anteil nicht-binärer Personen gibt.

Die Zahl von insgesamt 130 Jugendlichen, die sich in der zurückliegenden SCHULBUS-Untersuchung der Geschlechtskategorie ‚divers‘ zugeordnet haben, erscheint jedoch hinreichend groß, um sie mit Blick auf ihr Freizeitverhalten, ihre Beziehungsqualität zu unterschiedlichen Bezugspersonen, ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Alltagsaspekten und in Bezug auf ihr Suchtmittelkonsumverhalten statistisch mit jenen Jugendlichen abzugleichen, die als Geschlecht ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ angegeben haben. Zu diesem Zweck wurden aus der bereinigten Gesamtstichprobe zunächst alle Non-Binary-Persons (NBP) extrahiert, nach Alter gleichverteilt gewichtet und anschließend gemäß dieser Verteilung um die jeweils entsprechende Anzahl männlicher und weiblicher Befragter per Zufallsauswahl ergänzt, so dass für die Analysen auf eine Stichprobe mit N = 396 Jugendlichen zurückgegriffen werden konnte.

Im Rahmen dieser explorativen Analyse, die hier heruntergeladen werden kann wurde deutlich, dass die Gruppe der jugendlichen NBP durch eine durchweg geringere Zufriedenheit mit den unterschiedlichen Aspekten ihres Alltagslebens auffallen. Die Qualität der Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern ihrer Familie ist geringer ausgeprägt, als bei Jugendlichen männlichen oder weiblichen Geschlechts. Auffallend ist auch, dass die jugendlichen NBP eine erhöhte Affinität zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen aufweisen und in Bezug auf die nicht-substanzbezogenen Formen suchtgefährdenden Verhaltens tendenziell stärker gefährdet sind.

Auch wenn die Auswertung aufgrund der vergleichsweise (noch) geringen Fallzahl non-binärer Personen noch Einschränkungen unterliegt, so deuten die beschriebenen Ergebnisse alles in allem darauf hin, dass hier ein enorm hoher Forschungsbedarf besteht.

Neues Bundesmodellprojekt: „Suchthilfe UND Wohnungsnotfallhilfe - zwei Hilfesysteme, eine gemeinsame Zielgruppe“

Im Februar wurde vom Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert die Förderung des Schnittstellenprojektes „Suchthilfe UND Wohnungsnotfallhilfe – Zwei Hilfesysteme, eine gemeinsame Zielgruppe - Erarbeitung von Standards für eine erfolgreiche Kooperation (SuWoKo)“ bekannt gegeben. Das Projekt wird in den nächsten drei Jahren von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) umgesetzt.

Im Rahmen des Projektes sollen bereits bestehende Kooperationen zwischen Wohnungslosenhilfe und Suchthilfe in ausgewählten Einrichtungen im Hinblick auf ihre Funktionalität untersucht werden. Ziel des Projektes ist es, Struktur- und Rahmenbedingungen für den Aufbau von Kooperationsstrukturen zwischen Sucht- und Wohnungsnotfallhilfe zu erarbeiten. Besonders berücksichtigt werden soll dabei der Wissenstransfer zwischen den Hilfesystemen. Aus den Ergebnissen der Untersuchung soll ein Workbook mit Handlungsleitlinien erarbeitet werden, welches letztlich beiden Hilfesystemen zu Gute kommen soll.

Quellen und weitere Informationen: www.dhs.de und www.bundesdrogenbeauftragter.de

Epidemiologische Daten zur Verbreitung des Suchtmittelkonsums in der Hamburger Erwachsenenbevölkerung 2021 veröffentlicht

Vor kurzem wurden die Ergebnisse der vom Institut für Therapieforschung (IFT) München im Rahmen des epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) für das Jahr 2021 in Hamburg und einigen anderen Bundesländern aufgestockten Stichprobe zu den Konsumprävalenzen von Erwachsenen veröffentlicht. Die letzte repräsentative Stichprobe für Hamburg wurde im Rahmen des ESA zuletzt in 2015 erhoben. Mit großer Spannung wurden daher die neuesten Erkenntnisse erwartet.

Nimmt man zunächst den gesamten Beobachtungszeitraum der inzwischen zurückliegenden 25 Jahre in den Blick, dann zeigt sich, dass das Rauchen in der Erwachsenenbevölkerung weiterhin rückläufig ist. Dieser kontinuierliche Rückgang ist nicht nur auf sinkende Zahl von Neueinsteiger*innen in den Tabakkonsum zurückzuführen, sondern rührt auch daher, dass viele bisherige Raucher*innen ihren Konsum inzwischen eingestellt haben. In Bezug auf die Verbreitung des Alkoholgebrauchs verbleiben die Anteile der aktuell konsumierenden Männer (78%) und Frauen (71%) in Hamburg unverändert auf dem relativ hohen Niveau der Vorjahre. Allerdings ist die von Männern in den vergangenen 30 Tagen täglich getrunkene Menge Reinalkohol von durchschnittlich 24 Gramm im Jahr 1997 auf inzwischen 14 Gramm Reinalkohol in 2021 gesunken.

Besondere Aufmerksamkeit richtet sich derzeit auf die Entwicklung des Umgangs mit Cannabisprodukten: Gut jede*r zehnte erwachsene Hamburger*in gibt an, in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal gekifft zu haben. Auf die zurückliegenden zweieinhalb Dekaden bezogen zeigt sich mit wellenartigen Ausschlägen eine alles in allem zunehmende Verbreitung des Konsums von Cannabisprodukten. Gerade mit Blick auf die aktuell anstehende regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene wird es deshalb sicher sehr spannend zu beobachten und zu bewerten sein, wie sich der Konsum von THC-haltigen Produkten zukünftig entwickeln wird. Auch wenn mit 2,9% der Anteil der problematisch Cannabiskonsumierenden in Hamburg auf den ersten Blick vergleichsweise gering erscheint, so bedeutet dieser Prävalenzwert in Absolutzahlen ausgedrückt, dass immerhin rund 35.000 Hamburger*innen im Alter von 18 bis 64 Jahren aktuell davon betroffen sind.

Bei einem abschließenden Blick auf die Entwicklung des Medikamentengebrauchs der Erwachsenen in Hamburg zeigt sich, dass ca. drei Viertel (71%) der Männer und mehr als vier Fünftel (86%) der Frauen in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal ein Schmerzmittel eingenommen haben. Sechs Jahre zuvor lagen die entsprechenden Prävalenzwerte noch bei 57% (Männer) bzw. 72% (Frauen). Ebenfalls zugenommen – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau – hat die Verbreitung des problematischen Medikamentengebrauchs in Hamburg: Bei 3,5% der dortigen Männer (2015: 1,4%) und 8,6% der Frauen (2015: 5,1%) gibt es Hinweise auf eine entsprechende Abhängigkeit, wenn man zu deren Erfassung den „Kurzfragebogen zum Medikamentengebrauch – KFM“ als Screening-Instrument zugrunde legt.

Der vollständige ESA-Länderbericht 2021 und die komprimierte Zusammenfassung der Ergebnisse für Hamburg stehen auf den Internetseiten des IFT-München und von SUCHT.HAMBURG unter den folgenden Links zum Download bereit:

Download ESA-Länderbericht 2021 des IFT

Download Kurzbericht Hamburg zum ESA-Länderbericht 2021

Weitere Neuigkeiten und Materialien

Aktuelle Veröffentlichungen von SUCHT.HAMBURG:

Download Dot.sys Jahresbericht mit ausgewählten Ergebnissen der in Hamburg dokumentierten suchtpräventiven Maßnahmen des Jahres 2022.

Download Entwicklung der Alkoholvergiftungen in Deutschland 2000 bis 2021.

Ausbildung zur interkulturellen Keyperson im Projekt Herkunft-Ankunft-Zukunft ab Mai 2023

Am 13. Mai 2023 startet die nächste Schulungsreihe zur ehrenamtlichen interkulturellen Keyperson in der Suchtprävention des Projektes Herkunft-Ankunft-Zukunft (HAZ). HAZ wird seit rund fünfzehn Jahren von SUCHT.HAMBURG umgesetzt und von der Hamburger Sozialbehörde gefördert.

Das Qualifizierungsangebot richtet sich an interessierte Menschen (w/m/d) mit Migrationshintergrund bzw. Zuwanderungsgeschichte, die im Anschluss an die Fortbildung ihr erlerntes Wissen an ihre Communities weitergeben möchten. Interessierte sollten motiviert sein ehrenamtlich zu arbeiten und Migration aus persönlicher Erfahrung kennen.

Die Fortbildung beginnt im Mai 2023 und besteht aus insgesamt neun Modulen, die zum Teil in Präsenz und zum Teil digital angeboten werden. Die Teilnahme an allen Modulen mit Präsenz ist verpflichtend. Ausführliche Informationen zu den Modulen, Anmelde- und Kontaktmöglichkeiten finden sich hier.

ZEITUNG für Suchtprävention

Im Januar ist die 57. Ausgabe unserer ZEITUNG für Suchtprävention erschienen. Themen sind Ergebnisse der SCHULBUS-Studie, Digitalisierung in der Suchthilfe, Jubiläen in der Suchtprävention und Suchtberatung in Hamburg sowie ein Interview einer Einrichtung mit einem Angebot für traumatisierte Geflüchtete. Die ZEITUNG kann in unserem Shop unter www.sucht-hamburg.de/shop heruntergeladen oder bestellt werden.

Digitalportal gesund.bund.de um Fakten zum Konsum illegaler Drogen ergänzt

Für das Webangebot gesund.bund.de stellt das Institut für Therapieforschung (IFT) ab sofort die aktuellsten Prävalenzdaten von Erwachsenen in Deutschland zum Konsum von psychoaktiven Substanzen zur Verfügung. Aktuell wurde die Webseite unter gesund.bund.de/drogenkonsum um Daten zum Gebrauch illegaler Substanzen ergänzt. Das Portal soll laut dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung Burkhard Blienert einen Beitrag leisten, die wichtigsten aktuellen Informationen und Zahlen zu Substanzmittelgebrauch unabhängig, übersichtlich und professionell aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, innerhalb der nächsten zwei Jahre sämtliche relevanten Zahlen aus dem Sucht- und Drogenbereich aus Deutschland zentral und gebündelt verfügbar zu machen. Quelle und weitere Informationen

Modellprojekt Drug-Checking in Berlin soll noch im März starten

Das seit einiger Zeit immer wieder angekündigte Projekt zum Drug Checking soll noch im März in Berlin starten. Mit Hilfe von Drug-Checking können Konsumierende ihre Substanzen nach einem Beratungsgespräch auf die Inhaltsstoffe untersuchen lassen, um so zum Teil gefährliche Nebenwirkungen zum Beispiel durch Verunreinigungen zu reduzieren. Am Modellprojekt in Berlin beteiligen sich die Fixpunkt gGmbH, die Schwulenberatung Berlin gGmbH und Vista gGmbH. Quelle

Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland – wichtige Fakten auf einen Blick

Anfang März erschienen ist die Broschüre zur gesundheitlichen Lage von Frauen in Deutschland. Die Broschüre enthält wichtige Informationen und Eckdaten zur Gesundheit von Frauen, sie gibt Auskunft über häufige Erkrankungen, wichtige Risikofaktoren, die Inanspruchnahme von Prävention und medizinischer Versorgung. Quelle und weitere Informationen

Ausgewählte Fortbildungsangebote in Hamburg

TOM & LISA - Schulung 2023 zu Moderator*innen in Hamburg am 31. März und 1. April 2023 Mehr Informationen und Anmeldung

Rassismuskritische (Sucht-)Beratung - Rassismus und intersektionale Diskriminierung: Erkennen, Handeln, Reflektieren Webseminar am 19. April Mehr Informationen und Anmeldung

Essstörungen bei jugendlichen Mädchen - Online-Seminar zu den Ursachen von Essstörungen am 3. Mai Mehr Informationen und Anmeldung

Digitale Suchtberatung lebendig gestalten - Webseminar am 4. Mai Mehr Informationen und Anmeldung

Motivierende Gesprächsführung - Änderungsprozesse auch bei wenig motivierten Menschen anregen am 4. Mai Mehr Informationen und Anmeldung

Auftaktveranstaltung Basiscurriculum Jugend und Sucht 2023-2025 am 16. Juni Mehr Informationen und Anmeldung

Termine

High in der Schule?- Neue Herausforderungen für die pädagogische Arbeit durch die geplante Cannabis- Abgabe – Fachtagung des SuchtPräventionsZentrums am 5. und 6. Mai in Hamburg Mehr Informationen

27. Suchttherapietage „Auswirkungen von Krisen auf Suchthilfe und Prävention“ vom 15. bis 17. Mai 2023 in Hamburg Mehr Informationen

44. fdr+sucht+kongress „Entstigmatisierung in der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe” am 22. und 23. Mai 2023 in Weimar Mehr Informationen

34. Suchtkongress des Fachverband Sucht+ „Medizinische Rehabilitation – fit für die Zukunft? Neue Rahmenbedingungen, neue Wege“ vom 12. bis 14. Juni 2023 in Münster Mehr Informationen

Save the Date: Jahrestagung von SUCHT.HAMBURG am 22. November 2023

Gremien von SUCHT.HAMBURG

AK Vielfalt 6. April

AK Sucht.Jugend 19. April

AK Kinder von suchtbelasteten Eltern 24. April

AK Enter 11. Mai

Die Termine unserer Gremien finden Sie stets aktuell auch unter www.sucht-hamburg.de/information/termine

Kontakt

SUCHT.HAMBURG
Information.Prävention.
Hilfe.Netzwerk.

Repsoldstr. 4
20097 Hamburg
Fon: 040 284 99 18-0
service@sucht-hamburg.de
www.sucht-hamburg.de

Ansprechpartnerin

Christiane Lieb
(Geschäftsführerin)